Jerusalem

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Samstag, 17. August 2013

Longlist-Nominierungen zum Deutschen Buchpreis 2013




Es macht Sinn, sich die Longlist der diesjährigen Nominierten für den im Jahre 2005 mit großen Ambitionen als mögliche deutsche Variante des renommierten Booker-Preises des Commonwealth ins Leben gerufenen, aber bisher weit hinter diesem ehrgeizigen Anspruch zurückgebliebenen Deutschen Buchpreis zumindest oberflächlich anzuschauen, weil sich an dieser in diesem Jahr durchaus gelungenen und nicht nur kommerziellen Gesichtspunkten Genüge tragenden Auswahl von zwanzig aktuellen deutschsprachigen Romanen exemplarisch die aktuelle Krise des deutschen Buchhandels und Verlagswesens ablesen lässt.

Mirko Bonné: Nie mehr Nacht (Schöffling & Co., August 2013)
Ralph Dutli: Soutines letzte Fahrt (Wallstein, März 2013)
Thomas Glavinic: Das größere Wunder (Hanser, August 2013)
Norbert Gstrein: Eine Ahnung vom Anfang (Hanser, Mai 2013)
Reinhard Jirgl: Nichts von euch auf Erden (Hanser, Februar 2013)

Die vergangenen zehn Jahre waren im Sortimentsbuchhandel wie im Verlagswesen gleichermaßen stark (und darüber hinaus: mehrdenn je zuvor) geprägt von großen expandierenden Konzernen, die mit nachlassendem Erfolg bis heute die populäre, weitgehend unwidersprochene Auffassung vertreten, dass wirtschaftliches Wachstum sich auch in einem vergleichbar unbedeutenden, wie kaum ein anderer von den zahlreichen Unwägbarkeiten des individuellen künstlerischen Outputs abhängigen Wirtschaftszweig auch bei einem „ökonomischeren“ das heißt geringeren kreativen und finanziellen Einsatz sicher und verlässlich planen und ausrechnen lässt.

Daniel Kehlmann: F (Rowohlt, September 2013)
Judith Kuckart: Wünsche (DuMont, März 2013)
Olaf Kühl: Der wahre Sohn (Rowohlt.Berlin, September 2013)
Dagmar Leupold: Unter der Hand (Jung und Jung, Juli 2013)
Jonas Lüscher: Frühling der Barbaren (C. H. Beck, Januar 2013)

Große Verlage oder Verlagskonzerne, die besonders vor zehn Jahren noch die wirtschaftlichen Mittel dazu gehabt hätten, neue begabte und interessante Autoren mittels eines hochentwickelten Lektorats- und Scoutingsystems neu zu entdecken oder wenigstens in Übersetzung für den deutschen Markt zu erschließen, haben im krisenhaften Verlauf der letzten Jahre in viel zu starkem Maße auf bereits „erprobte“, vermeintlich ausrechenbare Bestseller aus dem amerikanischen oder britischen Buchmarkt gesetzt und können heute im wesentlichen nur noch – wenn auch auf hohem Niveau – als etablierte Hausverlage bereits allgemein anerkannter, durch Vertrag oder Neigung an sie gebundene Autoren reüssieren.

Clemens Meyer: Im Stein (S. Fischer, August 2013)
Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (Kiepenheuer & Witsch, Februar 2013)
Terézia Mora: Das Ungeheuer (Luchterhand, September 2013)
Marion Poschmann: Die Sonnenposition (Suhrkamp, August 2013)
Thomas Stangl: Regeln des Tanzes (Droschl, September 2013)

Die sich durch diese Nachlässigkeit bietende Chance haben die (sehr oft, aber nicht immer kleinen) unabhängigen Verlage genutzt, deren vorrangiger Anspruch es schon immer war, mit Mut und Überzeugung vor allem neue unbekannte deutschsprachige Autoren zu entdecken und zu fördern, was sich nicht nur an der erstmals von ihnen geradezu dominierten Longlist des Deutschen Buchpreises 2013 ablesen lässt. Auch wenn zu befürchten ist, dass die für September zu erwartende Shortlist-Nominierung der sechs endgültig um den Preis konkurrierenden Romane der bisherigen Tradition folgend weitaus weniger illuster und mutig ausfallen wird, ist die Wahl der diesjährigen Juroren ein alles andere als willkürliches Anzeichen einer wohltuenden Entwicklung auf dem deutschen Buchmarkt und eine Belohnung für gute verlegerische Arbeit.

Die Jury 2013/Foto: Harald Schröder

Jens Steiner: Carambole (Dörlemann, August 2013)
Uwe Timm: Vogelweide (Kiepenheuer & Witsch, August 2013)
Nellja Veremej: Berlin liegt im Osten (Jung und Jung, Februar 2013)
Urs Widmer: Reise an den Rand des Universums (Diogenes, August 2013)
Monika Zeiner: Die Ordnung der Sterne über Como (Blumenbar, März 2013)

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